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Troopy let's go – Von Katoomba nach Sydney


Ein gelassener Wind trägt das montägliche Nachmittagsgeplauder von hier nach dort. Mal ein Bus, ein Lastenfahrrad, Menschen allen Alters schlendern Richtung Meer – vereint darin Surfbretter unter dem Arm zu tragen. Kreischende Möwen kündigen die Strandpromenade an. Ich sitze auf einer Kreuzung mitten im zwanglosen Manly – im Norden von Sydney. Nach fünf Wochen schaue ich zum ersten Mal auf das endlose Blau des Pazifiks. Die letzte Woche war kunterbunt hübsch. Let's recap!




Schauen wir mal was wird


Exakt vor sechs Tagen ging mein Roadtrip los. Lang ersehnt, kurz vorher kamen trotzdem Zweifel: Wie wird das mit dem Alleinsein? Reicht das gesparrte Geld? Wie safe ist das Ganze? Kriminalität? Wilde Tiere?

Und eine, für mich persönlich, sehr bedeutende Frage: Kann ich meine Strukturen ablegen? Mal einfach drauflosfahren, laufen, schlafen, kochen, machen – dem Instinkt vertrauen, das Glück aufspüren. Realistischer Plan oder romantische Wunschvorstellung? Vermutlich wird es etwas von Allem sein. Mal überwältigendes Glück, mal triste Einsamkeit, mal blanke Reizüberflutung, mal eine grundlegende Zufriedenheit. Die Aufteilung dieses Kuchens bestimme ich selbst – beziehungsweise meine Einstellung. Unmöglich vorherzusagen, die Wahrheit liegt irgendwo auf der Straße. Schauen wir mal was wird.

Was ich sicher weiß ist, dass es eine besondere und wertvolle Zeit wird. Und vermutlich wird diese Zeit erst nach der Reise so richtig wirken.




Kick-Off Katoomba


Troopy musste am Donnerstag in die Reparatur. So richtig starten konnte der Spaß daher erst Freitag.

Dienstagfrüh bin ich mit Paddy's Auto allerdings schon mal losgefahren – in die Blue Mountains. Knappe drei Stunden von Forbes in Richtung Osten, Richtung Sydney.

Unterwegs wird es grüner, kälter, regnerischer – das Wetter europäischer. Und ich sehe die ersten Berge in Australien. Der One Tree Hill in Mount Victoria ist die höchste Erhebung in den Blue Mountains.

Unweit davon nehme ich mir für zwei Tage ein Hostel. In Katoomba, dem touristischen und kulturellen Zentrum des Mittelgebirges spüre ich schnell den Vibe der Backpacker. Junge Menschen aus Deutschland, aus ganz Europa kommen hier früher oder später mal durch. Wenn man vom Schwimmen, Surfen, Tauchen und Sonnen genug hat, wendet sich der Blick nach Katoomba.



Und auch für mich ist das Hostellife eine willkommene Abwechslung zu den letzten Wochen am Rande des Outbacks. Ein paar augenfällige Beobachtungen: Hostels sind teuer, außer man bucht mindestens eine Woche vorher, was die gelobte Spontanität des Backpackens etwas entzaubert. Dafür sehr sauber, man muss sich aufs Zusammenleben einlassen, gerade für mich eine Challenge, da ich eher still und introvertiert bin. Hier werde ich etwas aus der Komfortzone gestoßen.

Meine Hostel-Experiences und Beobachtungen werden sicher noch ausgefeilter. Die nächsten Wochen sehe ich mich allerdings eher allein im Troopy.




Wetter-Roulette

In Katoomba steige ich zweimal aufs Rad. Beide Male ist das Wetter sehr bizarr. Die Höhenstraße, die nach Katoomba führt, liegt in knapp 1000 Metern Höhe. Dichter Nebel und leichter Regen begleiten mich beim Losfahren. Als ich nach einer Weile auf Meereshöhe ankomme – strahlende Sonne und tropische Temperaturen.

Doch genauso schnell schlägt das Wetter um. Durch die Meernähe sind die Winde ziemlich stark, die Wolken unvorhersehbar. Das Ergebnis ist das heftigste Gewitter, dass ich je erlebt habe. Links, vorn, in der Ferne, rechts – überall Donner in regelmäigen Abständen. Dazu Blitze, die an den seltsamsten Orten auftauchen, und dem Donner immernäher zu kommen scheinen. Das Problem war nun, dass ich noch etwa 60 Kilometer nach Katoomba hatte. Keine Städte, keine Unterstände, nur eine sich auf- und ab und zu allen Seiten hin krümmende Landstraße. Kein flacher Zentimeter. Der Hagel wie spitze Nadelstiche. Alles dunkel, doch selbst am Horizont in allen Richtungen keine milderen Wolkenschwaden zu erkennen – nur die verschiedensten Grautöne in ihrer tristen Vielfalt.


Der letzte Stop vor dem Gewitter. Espresso Macchiato bei "The Grumpy Baker" – fünf Minuten später geht Australien unter.


Ich muss ehrlich gestehen, dass mich in diesen Momenten die Angst packt. Wenn selbst die vereinzelt entgegenkommenden Autos anhalten, abstoppen – dann entsteht die Frage: Ist das noch Training? Oder schon ein Würfelspiel mit meinem Dasein? Doch was ist die Alternative?

Glücklicherweise war der Spuk nach etwa einer Stunde vorbei. Der Riegen blieb, die Angst verwandelte sich in den unbedingten Wunsch nach einer heißen Dusche. Ein seltsamer Wunsch in Australien.




Regenwald-Romantik

Glücklicherweise versprach die Wettervorhersage der nächsten Tage Besserung. Donnerstagfrüh ging es bereits um 4.30 Uhr auf die Straße. Ziel: Sonnenaufgang am Echo Lookout – ein Höhenplateau am Rande der Stadt. Da diese Aussichtswarte nach Südosten gerichtet ist, steigt die Sonne am Rande des Sichtfelds hinter ein paar greisen Baumkronen empor. Vereinzelte Wolken verleihen dem Naturschauspiel etwas wunderschön Unperfektes. Von diesem Ort öffnet sich der Blick kilometerweit über ein zusammenhängendes System an Tälern und Schluchten. Überzogen vom ungleichartigen Grün verschiedenster Bäume. Währenddessen ein starker Wind, der ein paar graue Wolken über die Stadt schiebt. An manchen Stellen regnet es. Ein riesiger Regenbogen spannt sich neben der aufgehenden Sonne aus den tiefsten Talgründen hoch hinauf in den Himmel.

Ein verblüffend schöner Anblick. Unvorhersehbar, und dadurch umso schöner. Es muss nicht immer der klassische wolkenlose Sonnenaufgang sein.



Anschließend steige ich allein in die Leura Cascades hinab. Auf einem Mix aus hunderte Jahre alten Wegen und hochmodernen Stahltreppen führt der Weg tief in alte Eukalyptuswälder. Durch spektakuläre Sandsteinrinnen, vorbei an Wasserfällen. Bäume so hoch, dass man nicht weiß, wo sie anfangen, und wo ihre Gipfel sind. Intensive Grüntöne, Vogelgeschrei, hohe Luftfeuchtigkeit.

Es fühlt sich an, wie im Tropenhaus im Zoo – früher, als Kind. Seltsamer Gedanke, wenn man bedenkt, dass es normalerweise umgekehrt sein müsste.





Der Brot-Exkurs

Später am Tag treffe ich in der Hominy Bakery eine Deutsche aus Schwäbisch Gmünd. Genauer gesagt ihre Tochter, die noch nie so recht in Deutschland war, immerhin jedoch ein paar Fetzen Deutsch spricht. Ich bekomme ein paar hot tips für gutes Gebäck in New South Wales. Gute Bäckereien sind nämlich verdammt selten. Gerade als Deutscher muss man hier den Anspruch herunterschrauben. Was gäbe ich nicht manchmal für ein gutes Vollkornbrot. Eins mit Gewicht, welches sich nicht auf vier Millimeter zusammendrücken lässt – und ein paar mehr Geschmacksnerven beansprucht als das schneeweiße Sauerteigbrot.




Troopy on the road

Anschließend geht es zurück nach Forbes. Dort geht es für den Troopy in die Reperatur. Ich richte alles ein für eine unbestimmte Zeit im Auto. Für eine Person ist das kein Problem. Drinnen gibt es Schränke und Regale. Daneben eine Kühlschrankzeile im Boden. Ausklappbare Ablagen, ausziehbare Schubladen. Alles Solar-betrieben. Auf dem Dach ein großzügiges Zelt. Ich vermute, ich könnte kaum besser vorbereitet starten.



Am ersten Tag fahre ich 387 Kilometer. Von Forbes geht es wieder mitten durch die Blue Mountains. Vor Sydney fahre ich allerdings einen Bogen nach Norden. In der kleinen Gemeinde Mooney Mooney – warum immer alles doppelt – verbringe ich die erste Nacht.

Im Deerubbun Reserve direkt am Pacific Motorway schlafe ich so gut, wie man eben 30 Meter neben dem Highway schläft. Sehr hell, sehr laut. Dafür fällt der Blick durch das Fliegennetz auf die Pantaloon Bay, sowie den angrenzenden Wald. Kurz joggen, etwas Gewürzreis kochen, Zähneputzen, schlafen.




Sydney am Horizont

Als ich am nächsten Morgen verklatscht aufwache steht der Rastplatz halb unter Wasser. Die ganze Nacht hat es geregnet. Immerhin ist es leicht abgekühlt. Alles ist trockengeblieben.

In den folgenden Stunden entwässer ich alles, fahre ich einkaufen, Gasflasche füllen, ein paar Kleinigkeiten erledigen.


Spät am Nachmittag geht es aufs Rad. First time intervalls – nach vier Wochen Training. Erstmals steigt der Puls wieder über 190. Die Beine wehren sich etwas, aber der Systemschock war absehbar. Ein guter Ausgleich zum Autofahren der letztenTage.



Nach einer unerwartet langen Suche finde ich schließlich einen wunderschönen Schlafplatz in Church Point – am südlichen Zipfel des Ku-Ring-Gai-Chase-Nationalparks, nördlich von Sydney. Kein Autolärm, ein klarer Sternenhimmel, dafür buntes Vogelgesinge die ganze Nacht. Neben mir stehen zwei weitere Autos. Ich sehe ein Lagerfeuer und höhe Spanisch. Es tut gut nicht allein zu sein. Bei meiner nächtlichen Kochsession nähern sich zwei mutige Ratten, die ihr Kommen dankenswerter Weise mit lautem Quicken ankündigen. So lange es nur Ratten sind, und keine Schlangen – alles gut.




Zwischen Lagerfeuer und Oldtimmer-Knattern

Am nächsten Morgen weckt mich ein lautstarkes, jedoch klangvolles Brummen aus dem Schlaf. Es ist 7 Uhr früh – trotzdem bereits taghell. Zwar streift ein angenehmer Wind durchs Zelt, die schon fast senkrecht stehende Sonne kündigt allerdings einen heißen Tag an.


Doch – was zu Hölle – ist dieses Brummen? Als ich aus dem Zelt klettere stehen links und rechts von mir bunte Oldtimer. Zwischen den Bäumen spannt sich ein gelbes Banner mit schwarzer Schrift: "Pittwater Motor Enthusiasts Association". Der Wind trägt den unverkennbaren Geruch von gegrilltem Fleisch heran. Ältere Australier stehen um einen riesigen Grillrost. Geschäftiges Geplauder.

Mid-Fifties laufen mit ihren Frauen um die glänzenden Automobile herum. In ihren Augen spiegelt sich die Leidenschaft am Knattern und Glänzen. Die Modelle reichen zurück bis zu Ancestors und Veterans, knappe 100 Jahre. Auf eine gewöhnungsbedürftige Art schon beeindruckend.



An diesem Tag fahre ich die bisher schönsten fünf Stunden Rad. Zunächst Richtung Meer auf die Halbinsel Palm Beach – klassische Reichengegend, solche Luxusvillen habe ich noch nie gesehen. Dann in den Nordwesten von Sydney durch den Berowra Valley National Park. Coffeestop in Berowra Waters, von wo es nur mit der Fähre weitergeht.

Diese Mischung aus Mittelgebirge, Eukalyptus-Wäldern und gepflegten Suburbs, immer wieder durchzogen von Buchten und Einschnitten des sicht ankündigenden Pazifiks ist schon besonders. Ich genieße jede Sekunde auf dem Rad.




Jokes on the water

Am Abend treffe ich Tim. Er ist einer der wenigen Kontakte, die aus der Schule geblieben sind. Trotz 16.000 Kilometer Entfernung – irgendwie absurd, dadurch umso besonderer.

Er ist Skipper eines Boots in Rose Bay – die letzte Bucht vorm Pazifik. Von Manly fahre ich zunächst ins Circular Quay, das Stadtzentrum Sydneys. Von dort weiter nach Rose Bay. Sydney ist durchzogen von Buchten und Meereinschnitten. Fähre fahren scheint hier genauso normal zu sein, wie Bus fahren – nur deutlich romantischer.



Als meine Fähre am späten Abend in die kleine Bucht einläuft, erkenne ich ihn von weitem. Barfuß, kurze Hose, rote Funktionsjacke. „Du siehst schon aus wie der geborene Australier“, lacht er. Mit einem kleinen Schlauchboot fahren wir wenige Minuten zu seinem Boot, holen unterwegs eine Freundin ab. Auf dem kleinen Schiff verbringen wir einen entspannten Abend mit ein paar weiteren Freunden, bei Vegetarian BBQ.




Let's go Manly


Die Momente in Manly habe ich sehr genossen. Vielleicht auch weil ich wusste, dass es für ein paar Wochen meine letzten „socialising days“ sein werden.

In diesem Augenblick sitze ich 520 Kilometer weiter nördlich auf einer Bank, und muss schmunzeln wenn ich an die Momente zurückdenke. In den nächsten Tagen werde ich das ausführlich resümieren. Die Zeit vergeht schneller, als ich sie zeichnen kann.



Irgend so ein Vogel, den ich noch nie gehört habe, gurrt im ewigen Takt seine Melodie – irgendwo in einem Baum über mir. Die Sonne nähert sich dem Horizont.

Tagesziel: Schlafplatz finden, grob das Morgen planen, lesen. Insofern man das als Ziele bezeichnen kann. Und falls dem so ist – welche schöneren Ziele könnte es geben?


Macht's gut, euer Jon!


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