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Hotel-Hopping und Creek-Gaudi


Leicht melancholische Gitarrenmusik, ein zu- und abnehmender Windhauch aus der offenen Fensterfront neben mir. Drinnen ein schreiendes Kleinkind, draußen ein surrender Bagger. Ein Donnerstagmittag – wie man ihn erwarten würde. Ich sitze auf der Couch des Café Sylo in Forbes. Rustikaler Holzfußboden, rauer Backstein, hohe pechschwarze Decken – eher eine kleine Markthalle, als ein Café. Nur nicht so geschäftig, eher entschleunigt: ein guter Ort für ein Resümee der letzten Tage.



Heißblütiger Sommergruß


Es ist ein typisch heißer Tag in Forbes. Möchte man sich längere Zeit draußen aufhalten, sollte man das vor 9 Uhr morgens erledigen. Bis 35 Grad kraxelt das Thermometer. Aus irgendeinem Grund komme ich trotzdem selten vor 10 Uhr aufs Rad. Und bezahle dafür mit millimeterdicken Salzkrusten und so vielen Radflaschen im Trikot, wie ich tragen kann.

Weit und breit gibt es kaum Möglichkeiten für einen Coffee-Stop. In Reichweite liegt lediglich die Stadt Parkes – knappe 30 Kilometer entfernt. Da sie allerdings nur durch den Highway erreichbar ist, fällt sie selten in meine Routenplanung.



Zwischen Creeks und Steppe


Die Alternative: Fahren ins Nichts. Scheinbar endlos lange Straßen – als kleine graue Linien im Horizont verschwindend. Links und rechts vertrocknetes Gras und braune Steppe. In der Ferne hebt sich hier und dort ein Berg in die Höhe – kahl und schroff. Der Blick verschwindet in dieser rauen Leere – wunderschönen und monoton zugleich.

Nur manchmal öffnet sich ein kleiner Creek. Das sind kleine Wasserläufe oder Täler. Saftig grün blühend. Gesäumt von kleinen Sträuchern und Eukalyptus-Bäumen, durch deren verwinkelten Kronen zwitschernde Vögel fliegen. Dort erblickt man querbeet die verschiedensten Arten – doch stets geordnet im Schwarm. Wenn ich diese Creeks passiere scheine ich ein kleines, privates Theaterstück der Natur zu beobachten. Mal fünf, mal hundert verschiedenste Vögel fliegen scheinbar aufgeschreckt, doch in Wahrheit genau kalkuliert umher – vor der Kulisse dieses kleinen grünen Flecks.

Bevor auch diese Insel vorüberfliegt, und sich einmal mehr raues gelbbraunes Land auftut.



Vor ein paar Tagen habe ich spaßeshalber das Wort "Wüste" in den Raum geworfen. "Das hier ist nicht mal Halbwüste, das ist Natur pur" bekam ich als Antwort. Ich muss meine Maßstäbe wohl neu ansetzen. In einer Wüste kann es regnen soviel es will, die wenigsten Pflanzen werden aus dem Boden sprießen. Hier hingegen wird es schnell grün, wenn es mal Wasser von oben gibt – was wiederum selten vorkommt.



Gestern habe ich nach 70 Kilometer einen Menschen getroffen. Am Ende einer riesigen Rinderherde saß er auf seinem Traktor. Das war tatsächlich ein gutes Gefühl.

Wie ist es wohl dort zu sitzen? In der Landschaft aus wenigen Farben, wo die Sonne gefühlt nur in der Mitte am Himmel steht. Dort, wo die Zeit sich auflöst, wo es so etwas, wie Stress kaum zu geben scheint. Nur eine Aneinanderreihung von Ereignissen, ungeachtet ihrer Reihenfolge und Dauer. Ein seltsames Gefühl, aber eher befreiend als befremdlich.

Schon klar, es ist etwas konstruiert, aber zumindest regt es zum Nachdenken an.

Ein wenig hergeholt, aber so weit hergeholt nun auch nicht.



Canberra Pub-to-pub


Zurück in die Chronologie: Letztes Wochenende bin ich mit Mathilda, Dorothees und Paddys Tochter, nach Canberra gefahren. Drei Stunden Roadtrip. Dort haben wir Kaspar besucht. Genauso wie ihren Cousin Adam aus Grafton – in der Nähe von Brisbane.

Soviel kann ich vorwegnehmen: Die gefühlte Offseason wurde etwas verlängert.

Die Maxime des Abends: Jumping from pub to pub. Angefangen im Vorort Kingston bis in die City. Mini-Pub-Empfehlung an dieser Stelle: Das Kingston Hotel und Caribou.

Im Nachtleben unterscheidet sich auf den ersten Blick wenig von Deutschland.

Kleiner (leicht verwirrender) Fun Fact: Pubs und Bars heißen häufig "Hotel", wie auf dem Bild unten: "Post Office Hotel". Wow, wenn das schon alles ist?



Grundsätzlich stelle ich eine Sache überall fest. Egal ob im Verkauf, an der Kasse, als Beratung – und eben an der Bar. Die Menschen sind ein Stück aufmerksamer, freundlicher, individueller auf dich eingestellt. Sie scheinen mehr im Gespräch zu sein. Ganz egal ob kurzer Smalltalk oder tiefere Gespräche.

Auf den Punkt lässt sich das mit der hier alltäglichen Begrüßung: "Hey, how are you?" bringen. Ob du offen bist oder verschlossen, Zeitdruck oder Langeweile: Stets entwickelt sich ein, wenn auch kurzes Gespräch.


Zweitens folgt der nächtliche Spuk zu anderen Zeiten. Beginnend um 16 Uhr, endet es spätestens um 1 Uhr. Musik aus, Zapfhahn zu, Taxi nach hause.

Zum Thema Zapfhahn: Meine abschließende Bier-Empfehlung: Resch's Limited und Melbourne Bitter. Ich bin absolut kein Bierliebhaber, aber das waren meine Notlösungen der letzten Pub-to-pub-Touren.

Jedes Mal wenn ich gefragt werde "How does it taste?" – meine profane, etwas deprimierende – jedoch absolut ernstgemeinte – Antwort: "Mmmh, it's good". Ich werde niemals zum Bieratzen – und das ist gut so.



Nostalgie-Kick in Parkes


Am Dienstag bin ich in die nächstgrößere Stadt gefahren. In Parkes habe ich Troopy zu Toyota in den Service gebracht. Auf dem Weg dahin habe ich mich im Auto etwas eingelebt. Es fährt sich rau, ruckelig, aber wunderbar. Man braucht Geduld und Gefühl. Das realisiere ich spätestens als ich bereits bei 30 km/h in den vierten Gang schalte. Es fühlt sich nach einem Auto an. Man spürt den Motor, die Straße, einfach alles.


Auf dem Highway kommen mir immer wieder riesige Trucks entgegen. Und die sehen fantastisch nostalgisch aus: LKWs mit guter alter Schnauze, sogenannte Langhauber. Fühlt sich amerikanisch, alt, fast romantisch an. Windschnittig und scheinbar unaufhaltsam rauschen die, manchmal bis zu 25 Meter langen Trucks dahin. Vor der Schnauze sitzen stählern glänzende Känguru-Fänger. Auf dem Rad angsteinflößend, aus dem Auto irgendwie beeindruckend.



Während ich auf Troopy warte, stelle ich Parkes etwas auf den Kopf. Wirkt auf den ersten Blick, wie Forbes – nur etwas größer. Meine Highlights sind ein uriger Secondhand-Shop und ein Tobacco-Laden, in dem es alles, außer Tobacco zu kaufen gibt: Alte Kameras, verrostete Emailien, Motorräder, Schaukelpferde, kultige Feuerzeuge, Pappaufsteller von Elvis Presley, und so weiter. Kurzum: Ein Antiquitätenladen, der so ziemlich jeden romantischen Ramsch bietet. Das meiste wohl für immer im Sortiment: Spinnweben und Staub zieren den archaischen Schnickschnack.




Im Secondhand-Shop mache ich ein paar erstaunliche Schnapps: Einen schneeweißen Sonnenhut mit blauen Schmetterlingen, eine grünblaue, australienfarbene kurze Hose, eine türkise Kulturtasche, sowie ein altes, kleines Buch, mit hüllenartigen Seiten. Ich nehme mir vor Erinnerungsschnippsel aller Art dort hineinzuwerfen – klingt romantisch, ob ich es umsetze steht in den Sternen. Das alles für 7 Euro – da kann man nicht meckern, wie wir Deutschen sagen.



Finally gönne ich mir das hier unausweichliche Banana Bread mit Flat White. Damit wird man an jeder Ecke konfrontiert. Schmeckt tatsächlich aber auch fast überall gut, macht satt, für kleines Geld erschwinglich – erfüllt seinen Zweck.


Next stop – Wagga Wagga


Am Sonntag verlasse ich Forbes in Richtung Wagga Wagga südwestwärts. Dort besuche ich einen guten Freund. Bis dahin genieße ich die letzten Augenblicke.


Es ist fast 15 Uhr. Das Café schließt. Mein Nachmittagsplan war eigentlich ins Forbes Olympic Pool (Freibad) zu springen. Ein paar Bahnen plantschen, ins Gras legen, lesen, in den Himmel schauen. Nun schiebt sich eine dicke, weiße Wolkendecke vor das Blau. Später soll es regnen. Gut für die Natur, denn es hat Wochen nicht geregnet, schlecht für meinen Nachmittagsplan – privileged problems.


Hot take: Es gibt deutlich schlimmeres.



Macht's gut, euer Jon!


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