Der Wasserkocher surrt, Regentropfen prasseln gegen die Fensterscheibe und vereinzelte Blätter fallen planlos Richtung laubbedecktem Bürgersteig. Ein typischer Herbsttag. Hin und wieder finden die Sonnenstrahlen einen Weg durch die dicken, grauen Wolken – bis auf meinen Schreibtisch. Zeit mal wieder etwas zu tippen.
Arrivederci Radsport 2022!
In der letzten Woche ist Ruhe eingekehrt, vor allem sportlich. Am letzten Sonntag bin ich das letzte Rennen der Saison gefahren – das Zeitfahren Chrono des Nations in der Bretagne in Frankreich. Seit einer Woche zieren ausschließlich Sofas meinen Trainingsplan.
Der Herbst ist da, die Tage werden kürzer, meine werden länger. Kein Radfahren, keine Verpflichtungen. Einfach mal nur existieren.
Klingt auf den ersten Blick unfassbar romantisch. Zeit für Dinge, die sonst hintenüber fallen. Schlafen, das Essen mal "genießen", etwas reisen, bouldern. Mehr Zeit für Familie und Freunde. Ich gebe momentan mein Bestes, diese Zeit mit schönen Erlebnissen zu füllen. Mal die Perspektive umzudrehen. Aufwachen, ohne an strukturiertes Training, Wettkämpfe und Reiselogistik zu denken.
Vertrauen in Plan X
Doch der Blick täuscht etwas. Wohlfühlen und Zufriedenheit geht bei mir Hand in Hand mit Planungssicherheit. Status Quo: 2023 wird erstmal ohne Plan gestartet. Tausende Gedanken tummeln sich in mir. Fahre ich weiter Rennen? Wie sieht ein Leben ohne Leistungssport aus? Ich habe glücklicherweise einige Plan Bs. Aber: Welchen werde ich verfolgen? Und die grundlegendste aller Fragen: Was brauche ich überhaupt um glücklich zu sein?
Tag für Tag wache ich auf, und denke ins Dilemma hinein. Als drehe ich eine Sanduhr immer und immer wieder auf den Kopf. Viele Pläne, Ideen und Ansätze – wenig Ahnung, in welche Richtung ich gehe.
Zumindest scheine ich eine Sache immer mehr zu verstehen: Dieses Gefühl ist vollkommen okay. Ich vertraue darauf, dass sich das alles schon bald entknoten wird. Abstand von all meinen Gedanken, Zielen und Gewohnheiten des Sport – wahrscheinlich ist genau das der Schlüssel für die Entscheidung. In "Radsport", we call this: Offseason. Mit der leisen Hoffnung ein Bauchgefühl für die eine oder andere Seite zu entwickeln. Und dem Vertrauen in mich selbst, diese Entscheidung treffen zu können – weiter mit oder ohne Radsport.
Offseason-Romantik
Die Sonne steht tief, Laubgeruch steigt in die vom Schweiß salzverkrustete Nase und das Zwiebelprinzip feiert sein Comeback im Radoutfit. Der Herbst ist da, die letzten Rennen der Saison stehen kurz bevor. Und zwischen Trainingsplanung und Wettkampfanalyse schummeln sich die ersten Gedanken an die Offseason. Fahre ich in den Urlaub? Wenn ja, wohin? Und ach ja: Hab ich Bock auf Party und Saufeeen?
Spätestens nach dem ersten so richtig harten Rennen der Saison kommen solche Gedanken auf. Klingt seltsam, aber meinen ersten gedanklichen Offseason-Moment hatte ich im Februar nach der Königsetappe der Ruanda-Rundfahrt. Acht Monate später ist es nun soweit und die paar radfreien Tage sind bereits reichlich verplant.
Thanks Gent!
Am Wochenende war ich in Gent. Absurd, da ich mir oft schwöre, niemals freiwillig nach Belgien zu fahren. Assoziation: Rennen, Druck, Sturz, Schmerz, Windkante, schlechtes Wetter, Stress, Stress, bah.
Umso glücklicher bin ich, Gent – aka "Veggie Hauptstadt Europas" – dennoch eine Chance gegeben zu haben. Mal aus einer ganz neuen Perspektive. Chocolaterie, Wein, Bootfahren, Theater, durchatmen. Nette Menschen, nette Stadt. Danke Belgien, vielleicht bis du ja doch mehr als Radsport (zumindest in meinem Kopf).
Nächsten Donnerstag gehts weiter nach Paris. Like i said: Voller Reiseplan. Ich bin gespannt, was die nächsten Tage an Erlebnissen so bereithalten. Eventuell schreibe ich noch etwas mehr über die Offseason-Trips. Mal weg vom Radsport-Livestyle – Lets Go Travel-Blog: Die Motivation ist da.
Macht's gut, euer Jon!
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