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Erwachen aus dem Nirgendwo


Guess who's.. Back aus dem Nirgendwo. Das Rauschen der Autoreifen über die regennassen Straßen, Entspannungsmusik, eine Kanne kaltgewordener Tee. Und ich, wunderbarerweise wieder motiviert für ein paar Sätze ins Blaue. Die letzten Wochen boten sehr viel von allem, um es vorsichtig auszudrücken. Umso überraschter bin ich den Weg zurück an den Laptop gefunden zu haben. Let's start, ohne Kompass, dafür gespannt, wo mich diese kleine Rückschau heute hinführt.



Schreiben aus dem Handgelenk


In den letzten Wochen habe ich mich vom Schreiben etwas entfernt. Zum Einen lag das an der vom Sport ausgelösten Anspannung. Ende August stand mein alles überstrahlender Saisonhöhepunkt auf der To Do Liste: Die Deutschland Tour.

Zum Zweiten habe ich versucht, den Selbstdruck etwas herunterzuschrauben. Jede Woche was schreiben ist nicht einfach. Geschichten bewusst suchen, notieren, aufschreiben, umschreiben. Mein Anspruch an Struktur und Mehrwert ist vergleichbar mit so einem Kirmesluftballon. Wenn ich ihn nirgends festbinde, ist er schnell nur noch ein Punkt zwischen Feuerwerk und Riesenrad.

Ich muss meine Vorstellungen und Wünsche dieses Projekts hin und wieder bremsen. Der rote Faden muss nicht immer knallrot sein, die Bilder nicht immer HD sein, die Captions nicht immer Sinn ergeben und der Post-Timetable soll auch mal wackeln. Schreiben, einfach schreiben.



"In die Fresse hauen"

Whatever. Zurück ins Chronologische. Wir schreiben den 7. August, der Rückreisetag aus dem Höhentrainingslager in Sestriere, Italien. Vom Urlaubsfeeling zurück zum Fokus aufs Sportliche. Das Ziel: Die Deutschland Tour vom 24. bis zum 28. August. Darauf erstmal ein Schluck eiskalter Tee.

Leider sind uns zur Vorbereitung viele Rennen weggebrochen. Bei ganzen drei UCI Rennen in Belgien wurden wir spontan ausgeladen. Plan B war ein intensives Trainingslager im Sauerland. Drei Tage Form testen, und das von uns ausgerufene Motto "in die Fresse hauen" zelebrieren. Direkt im Anschluss sind wir das längste Amateurrennen Deutschlands in Bellheim gefahren. 200 Kilometer, ein paar Feldwege und volle Teambesetzung. Dieser Tag stand sinnbildlich für meine Mentalität die letzten Wochen. Vollgas, Vollgas, Vollgas. Keine Taktik, den Beinen wehtun.

Die darauffolgenden zwei Tage standen dann noch einige Pro Kermesse Rennen in Belgien auf dem Programm. In Belgien hält dann doch jeder noch mal mehr rein. Jeder investiert viel, gehen tut es um wenig. Die Absurdität dieses Sport wird mir in solchen Rennen umso klarer.



Sturzpoesie


Leider bin ich beim Rennen in der Wallonie ziemlich schwer gestürzt. Die Zielkurve habe ich komplett unterschätzt. Verbremst, weggerutscht und seitlich gegen die Hauswand gedriftet. Endergebnis: Krankenhaus und ein Fahrrad, was mal ein Fahrrad war.

Ich muss allerdings gestehen, dass mich der Sturz vor allem mental getroffen hat. Da waren sehr viele Gedanken über den Sinn dieses Sports, die Schmerzen zwangen mich unerbittlich in eine Selbstreflexion. Natürlich war das nicht mein erster Sturz, weswegen ich diese Gedanken wiederum kenne und einordnen kann.

Als ich spät nachts aus dem Krankenhaus in Brüssel nach Hause kam, ging es in den nächsten Selbstkonflikt. Nächster Tag, nächstes Rennen. Starte ich? Mein Kopf sagte Ja. Mein Körper eindeutig Nein. An dieser Stelle muss ich anmerken, dass meine Verletzungen nicht allzu schlimm waren. Ich hatte ungefähr 40 Quadratmeter Haut verloren, jedoch nichts gebrochen, nichts entzündet. Aber einfach überhaupt keinen Bock.

But wait – wir sind im Radsport. Da steht man immer wieder auf, immer weiter, egal was ist, weiter, weiter, weiter. Aber ist das wirklich so? Brauch es immer dieses Heldenhafte? Ist das überhaupt heldenhaft? Muss es heldenhaft sein? Dieser Sport ist so schön und so absurd zugleich.

Ich wollte starten um mir zu zeigen, Radsport ist mehr als ein Sturzfestival. Und ich wollte die Vorbereitung natürlich durchziehen. Andererseits wollte ich auf meinen Körper hören und mir gleichzeitig beweisen, dass ich schwierige Entscheidungen treffen kann, ohne sie zu bereuen. Schlussendlich hörte ich auf mein Bauchgefühl.

Um das Ganze etwas abzukürzen: Ich bin gestartet, aber nach einer Stunde bewusst ausgestiegen. Es lief sogar gut, ich hatte keine Schmerzen. Mein Kopf war allerdings einfach nicht ready für vier Stunden Vollgas. Rückblickend war das normal nach den intensiven Tagen zuvor. Und wenn ich zurückschaue, war es nicht die falsche Entscheidung. Die restliche Woche hatte ich genug Zeit zum Erholen.



Der Höhepunkt der Heldenreise


Komme ich nun endlich zur Deutschland Tour. Von Weimar ging es aus dem Herzen Deutschlands bis nach Stuttgart. Ganze 14 WorldTour Teams, die anspruchsvollste Strecke der letzten Jahre und eine durchwachsene Vorbereitung, ließen mich nur gewinnen können.

Persönlich schielte ich auf ein schönes Etappenergebnis.

Und tatsächlich lief es auf der ersten Etappe in Meiningen ganz okay. Ich fühlte mich den ganzen Tag gut, rettete mich über die Berge, platzierte mich gut für den Schlusssprint, verlor allerdings auf dem letzten Kilometer etwas den Kopf. In der Schlacht mit mir selbst, alles daran setzend meine Gedanken und Ängste zu betäuben, verlor ich dann doch etwas den nötigen Mut und verbaute mir mehr. Der 21. Platz ist voll in Ordnung, bringt mir am Ende allerdings nichts.

In den darauffolgenden Tagen ging es für mich in erster Linie darum, ein Auge auf Johannes zu haben und ihn aus dem Wind zu halten. Aus Teamsicht waren wir am Ende zufrieden, denn Johannes schnappte sich den 22. Platz in der Gesamtwertung. Bei einer Deutschland Tour mindestens sehr passabel. Für ihn freut es mich ehrlicherweise sehr. Sportlich und menschlich gibt es wenige, denen ich die gute Form diesen Sommer, gespickt mit ein paar schönen Results, mehr gönne.



Süßer Sommer


Mitnehmen tue ich in erster Linie die Gänsehaut. Es war wunderschön durch die Zuschauermassen zu fahren. Ich musste zwar ganz bewusst den Tunnelblick ausschalten, alles dahinter war dafür umso besonderer. Ich erinnere mich, wie ich versuchte den Menschen in die Augen zu blicken, die Geräuschkulisse einzuatmen – bis zum Dauergrinsen. In diesen Momenten weiß ich wieder, wieso ich diesen Sport so gnadenlos verfolge. Danke Deutschland Tour, für das Versüßen dieses Sommers.

Mit diesen Erinnerungen mache ich für heute den Deckel drauf. In den nächsten Tagen geht es weiter mit dem Recap. Vielleicht spricht es für diesen besonderen Sommer, dass er hier in der Rückschau wieder aufblüht, statt live on air mit erzählt worden zu sein.



Macht's gut, euer Jon!


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