Türknarrzen, Kreissäge, Gondelgeklapper – dazwischen Kuhglocken und sanftes Blätterrauschen. Buongiorno aus Sestriere! Der exakte Höhenmesser zeigt 2060 Meter. Der Blick aus dem Fenster offenbart kahle Berghänge und einen von tausend wunderhässlichen Skiorten. Zwischen Touri-Charme und Bella Italia Idylle.
Etwas müde, aber motiviert für ein paar Sätze, lasse ich meine Gedanken mal durch die letzten Tage schweifen. Andiamo, Amagare!
Zwischen Zwangspause und Training
Seit meinem letzten Text sind ein paar Augenblicke vergangen. Ende Juli bin ich nach vier Wochen mal wieder Radrennen gefahren. Bundesligarennen auf der Autorennstrecke am Nürburgring. Um ehrlich zu sein, war ich etwas überrascht, wie gut es nach meiner kleinen Zwangspause lief. Drei Stunden Vollgas, Highspeed-Abfahrten, Hitzeschlacht. Nicht unbedingt der ideale Restart. Am Ende rollte ich auf Platz 12 ins Ziel.
Mein Resümee: Fehlendes Training lässt sich durch ganz viel Erholung sehr gut kompensieren (zumindest manchmal).
Umso schöner: Einen Tag nach dem Rennen konnte ich mit einem guten Gefühl ins Höhentrainingslager fahren. Schluss mit Erholung, voller Fokus aufs Kilometer schrauben.
Pony-Reunion
Seit ziemlich genau einer Woche bin ich jetzt mit meinem zwei Teamkollegen Johannes und Julian in Sestriere. Seitdem ist, gemessen an der Einsamkeit hier oben, schon einiges passiert. Fünf Tage Training, eine eskalierte Wanderung und viele Coffeestops.
In dieser einen Woche habe ich schon so gut wie alle Pässe hier im Umkreis passiert. Der Körper fühlt sich dementsprechend nicht mehr allzu frisch an. Höchste Zeit für den Restday.
Absolutes Highlight so far: Der Colle delle Finestre. 19 Kilometer, 9 Prozent Steigung – bis auf 2178 Meter. Die zweite Hälfte in feinstem Gravel.
Die Passstraße ist ziemlich tot. In der anderthalbstündigen Auffahrt habe ich bis auf eine geruchsintensive Käsealm nichts und niemanden gesehen.
On top erwartete mich dann ein vertrautes Bild. Bereits letztes Jahr haben wir den Finestre erklommen. Und die Zeit scheint stehengeblieben zu sein, denn da stand immer noch dieses Pony. Weise in die Berge blickend, etwas ausgezehrt, bewegungslos – wie angewurzelt. Als hätte es geduldig ein Jahr auf uns gewartet.
Schock in der Abfahrt
Weitere Highlights auf unseren Routen: Der Col d'Izoard, Col du Galibier, Col du Granon. Um mal nur einige zu nennen.
Gestern war Galibier-Tag. Auf jeden Fall einer meiner Favorite-Anstiege. Traurigerweise bleibt mir ein eher gruseliges Erlebnis in Erinnerung. Auf halber Abfahrt fuhr ein Auto vor mir in einer leichten Rechtskurve straight geradeaus. Links in die Felswand erstreckte sich ein alter Tunnel – davor eine robuste Schranke. Aus voller Fahrt fuhr das Auto halb in die Wand und rutschte quer in den Tunnel. Einige Autofahrer, Julian und ich hielten sofort an, liefen zum Tunnel.
Ich war völlig geschockt. Unwissend, was mich da im Tunnel erwarten würde. Verrückterweise zögerte ich in den Tunnel zu laufen, aus Angst vor Schock oder Trauma – keine Ahnung. Als ich dann der erste an der Unfallstelle war, beruhigte ich mich schnell. Das Auto war zwar völlig lädiert, mehr aber glücklicherweise nicht passiert. Leicht humpelnd kamen mir eine alte Frau und ein kleiner Junge entgegen. Keine Verletzungen, etwas geschockt, aber ruhig. Ich glaube ich war selten so verwundert und erleichtert zugleich.
Well-spent Restday
Nach den schon recht bunten Erlebnissen der letzten Tage, wird heute der Ruhetag anständig zelebriert. Ausschlafen, Brötchen holen, aufs Sofa legen, Blog schreiben und finishen.
Jetzt gehts zur Alm. Zwei wunderschöne Kilometer Schotterstraße Richtung Café und Baguette. Ich melde mich wieder am nächsten Restday – mit weiteren "bellissima" Erlebnissen, und hoffentlich weniger Schock-Stories.
Macht's gut, euer Jon!
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